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Ärger bei Minusgraden

Pressemitteilung -

Ärger bei Minusgraden

Wenn die Justiz über Streuen und Räumen entscheiden muss

„Winter ade, Scheiden tut weh“ – Immobilienbesitzern dürfte dieser Spruch nicht so leicht über die Lippen kommen, denn für sie bedeutet die kalte Jah­reszeit häufig viel Mehrarbeit. Sie müssen die Wege frei von Eis und Schnee halten, denn nur so erfüllen sie ihre gesetzlich vorgeschriebene Verkehrssi­cherungspflicht.

Der Infodienst Recht und Steuern der LBS stellt in seiner Extraausgabe einige Urteile vom Amtsgericht bis zum Bundesgerichtshof vor, in denen es um diese Thematik geht. Mal geht es dabei um die sogenannte „Streukontrolle“, mal um die nachträgliche Entfernung eines ausgebrachten Splitt-Salz-Gemischs.

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) kann ihre Räum- und Streu­pflicht für öffentlich zugängliche Wege auf einen Hausmeister delegieren, wo­raufhin dieser dann auch haften muss. Allerdings bleibt für die WEG eine Überwachungs- und Kontrollpflicht. Das stellte das Oberlandesgericht Karls­ruhe (Aktenzeichen 9 U 34/19) nach dem Sturz einer Fußgängerin fest. Insbe­sondere bei einem professionellen Hausmeisterdienst müsse die Gemein­schaft allerdings nur bei konkreten Hinweisen auf eine Vernachlässigung des Winterdiensts tätig werden und sei deswegen im vorliegenden Fall nicht haft­bar zu machen.

Hauseigentümer haben dann keine Streupflicht auf öffentlichen Wegen, wenn die Gemeinde den Winterdienst nicht via Satzung wirksam übertragen hat. Das stellte der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VIII ZR 255/16) im Zusam­menhang mit einem Schadenersatzfall fest. Eine Frau war beim Verlassen des Wohnhauses auf einem nicht geräumten Stück Weges bis hin zum teilweise von der Kommune geräumten Fußweg gestürzt und hatte sich verletzt. Der BGH-Senat hielt im Urteil fest: „Zuständig für die Sicherheit des öffentlichen Gehwegs ist hier allein die Gemeinde, die diese Pflicht nicht an den Anlieger und Vermieter delegiert hat.“

Stürzt ein Fußgänger auf einem Gehweg, weil durch eine Regenwasserablei­tung eine Glättestelle entstanden ist, so haftet der zuständige Grundstücks­besitzer – sprich: der Eigentümer, von dessen Anwesen die Ableitung aus­geht. Konkret handelte es sich um ein Regenrohr zur Entwässerung des Dachs. Das Oberlandesgericht Naumburg (Aktenzeichen 2 U 25/13) sprach einer Fußgängerin Schadenersatz zu, die am frühen Morgen auf dem Weg zur Arbeit genau auf dieser Glättestelle ausgerutscht war.

Kommt es unabhängig von solchen Gefahren wie einer Regenwasserablei­tung zu unerwarteten einzelnen Glättestellen, so ist das Vorliegen einer Ver­kehrssicherungspflicht jeweils gründlich zu prüfen. Liege keine allgemeine Glätte vor, so der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VI ZR 254/16), so müsse keinesfalls zwingend der Winterdienst einsetzen. Eine Passantin war auf einem trockenen und geräumten Weg ausgerechnet auf einer einen Quadrat­meter großen rutschigen Stelle verunglückt.

Einen untergeordneten Zuweg zur Terrasse seines Hauses muss ein Hausbe­sitzer nicht völlig gefahrlos gegen alle erdenklichen Risiken für einen Nutzer ausgestalten. In einem Zivilprozess vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (Aktenzeichen 17 W 17/22) war es um einen unbeleuchteten, wegen Laub- und Moosablagerungen schmierigen Steinweg gegangen, auf dem eine Pfle­gekraft einen schweren Unfall erlitten hatte. Es habe sich aber hier gar nicht um einen eigentlichen Zuweg zum Haus gehandelt, hieß es im Urteil.

Generell gilt: Bei glatten und eisigen Wegverhältnissen erwarten Gerichte nicht nur von Hausbesitzern die Einhaltung der Streupflichten, sondern auch von Passanten erhöhte Vorsicht. Wer zum Beispiel trotz eines erkennbar nicht geräumten Weges diesen benutzt, der kann nach Ansicht des Amtsgerichts Augsburg (Aktenzeichen 74 C 1611/18) dadurch den Schmerzensgeldan­spruch verlieren.

Ein Verkehrssicherungspflichtiger muss sogenannte „Streukontrollen“ durchführen – das heißt, sich immer wieder über den Zustand eines Weges innerhalb seines Verantwortungsbereiches vergewissern. Hier war es um acht Uhr morgens auf einer drei mal drei Meter großen Fläche zum Sturz einer Rad­fahrerin gekommen. Die Verantwortung, an dieser Stelle zu streuen, sei umso höher gewesen, als es sich bei dem Beauftragten um einen gewerblichen Win­terdienst und um eine viel frequentierte Stelle gehandelt habe. Das entschied das Amtsgericht München (Aktenzeichen 154 C 20100/17).

Wenn eine Gemeinde nicht von sich aus tätig wird, kann eine Wohnungs­eigentümergemeinschaft auch von sich aus für ein Stück öffentlichen Weges einen Winterdienst bestellen. Es handelte sich um einen Teil einer öffentli­chen Grünanlage, der aber zusätzlich von Bewohnern einer nahen Anlage als Zugang zu dem Haus benutzt wurde. Innerhalb der WEG kam ein Streit darü­ber auf, ob man nun auf eigene Kosten räumen lassen solle. Das Landgericht Hamburg (Aktenzeichen 318 S 95/16) gab denen Recht, die das für angemes­sen hielten.

Eine Schattenseite des Streuens ist die Tatsache, dass sich nach Besserung der Wetterlage jede Menge Streugut auf den Wegen befindet. Auch wenn dies als unangenehm empfunden wird, kann man vom Verkehrssicherungspflich­tigen trotzdem nicht verlangen, dass er das pflichtgemäß aufgebrachte Splitt-Salz-Gemisch nach jeder Verwendung gleich wieder beseitigt. So urteilte das Oberlandesgericht Schleswig (Aktenzeichen 7 U 25/19).

Wohnungseigentümergemeinschaften ist es nicht möglich, einzelnen Mit­gliedern durch Mehrheitsentscheidung Räum- und Streupflichten persönlich aufzuerlegen. Das Amtsgericht Oberhausen (Aktenzeichen 34 C 87/19) ent­schied, dass hierdurch Aufgaben aus dem Pflichtenkreis des Verwalters in un­zulässiger Weise auf die Eigentümer verlagert würden.

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Dr. Ivonn Kappel

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